5G Frequenzvergabe: Marktversagen beenden, Wettbewerbs- & Verbraucherinteressen fördern

7. Dez 2022

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Mit der bevorstehenden Frequenzvergabe kann die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Weichen für den Mobilfunk in Deutschland neu stellen. Zur Vorbereitung hat die BNetzA im September 2022 ein Positionspapier zu den Auktions- und Vergaberegeln zur Konsultation gestellt.[1] Sie will mit den zur Diskussion gestellten Positionen den „Spagat zwischen Wettbewerb und Versorgung schaffen.“[2] Zur Bewältigung dieser Aufgabe stellt die BNetzA nun verschiedene Szenarien in Aussicht, die den Dienstewettbewerb fördern sollen. Von diesen ist aber nur eine in Richtung einer Zugangsverpflichtung konkretisierte und verstärkte Diensteanbieterverpflichtung geeignet, wirksamen Wettbewerb zu sichern.

Fehler der Vergangenheit: Die Abschaffung der Diensteanbieterverpflichtung

Die Diensteanbieterverpflichtung ist ein erprobtes Mittel, das den deutschen Mobilfunkmarkt von Anfang an strukturell geprägt und zu einem funktionierenden Wettbewerb beigetragen hat.[3] Leider hat sich die BNetzA vom Trommelfeuer der Mobilfunknetzbetreiber, die eine frequenzregulatorische Zugangspflicht für unzulässig halten, mehr und mehr beeindrucken lassen. Deshalb sah sie von Zugangsverpflichtungen in den 4G-Frequenzvergaben ab.[4]

Verhandlungsgebot ist gescheitert

Mit der Einführung eines Verhandlungsgebots für die Vergabe der 5G-Frequenzen im Jahr 2018 sollte der Schwächung des Wettbewerbs begegnet werden.[5] In der Praxis zeigte sich das Verhandlungsgebot aber als gänzlich ungeeignet, so dass heute sein Scheitern festzustellen ist. Ohne Kontrahierungszwang und ohne hinreichend rechtssichere Pflichten der Mobilfunknetzbetreiber, Diensteanbietern Zugang zu gewähren, werden Verhandlungen oftmals nur formal und ohne Einigungsabsicht geführt. Auch erhalten die Diensteanbieter keinen oder nur verzögerten und eingeschränkten Zugang zu neuen Technologien. Innovations- und Produktwettbewerb werden so erschwert oder gar unmöglich gemacht. Es ist bezeichnend, dass Diensteanbietern 5G noch nicht oder nur als Originaltarife ohne eigene Gestaltungsmöglichkeiten und mit gedrosselter Geschwindigkeit zu überhöhten Preisen zur Verfügung gestellt wird. So werden Diensteanbieter daran gehindert, als Motor für Wettbewerbsförderung zu fungieren.

Die Defizite des Verhandlungsgebots lassen sich auch nicht durch eine Konkretisierung wie durch eine Berichtspflicht beheben, wie sie im Positionspapier (S. 28) vorgeschlagen wird. Das Verhandlungsungleichgewicht bliebe bestehen und die Berichtspflicht würde ins Leere laufen, da die von der BNetzA vorgesehenen Streitbeilegungsverfahren aufgrund der kommerziellen und technischen Abhängigkeiten der Diensteanbieter zu den Netzbetreibern schon jetzt keinen geeigneten Rahmen bieten.

Wegweisende Entscheidung des BVerwG

Das Bundesverwaltungsgericht bezog in seiner wegweisenden Entscheidung vom Oktober 2021 Stellung gegen das defizitäre Verhandlungsgebot. Dabei hat es die rechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Diensteanbieterverpflichtung zurückgewiesen und die Vereinbarkeit von Zugangs- und Diensteanbieterverpflichtung mit dem Telekommunikationsgesetz und dem europäischen Recht bestätigt. Zugleich hat es begrüßenswert klar festgestellt, dass die Diensteanbieter einen wesentlichen Anteil zur effizienten Frequenznutzung leisten. Schließlich gab das Bundesverwaltungsgericht zu erkennen, dass eine beharrliche Verweigerungshaltung der Netzbetreiber bei künftigen Frequenzvergabeverfahren vermutlich zu der Auferlegung einer strikten Diensteanbieterverpflichtung führen würde.[6] Dieser Warnschuss hat allerdings bis heute niemanden beeindruckt und nicht zu diskriminierungsfreiem 5G-Zugang geführt, so dass nun die BNetzA am Zug ist.

Die Wiedereinführung einer Zugangsverpflichtung als Chance für fairen und wirksamen Wettbewerb

Mit der bevorstehenden Frequenzvergabe hat die BNetzA die Chance, den rechtlichen und heute noch bei den Gerichten anhängigen Scherbenhaufen der letzten Frequenzvergabe zu beseitigen. Die im Positionspapier der BNetzA diskutierten Maßnahmen halten nunmehr zu Recht auch eine generelle Zugangsverpflichtung für möglich. Um einen fairen und wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten, muss die BNetzA den Netzbetreibern eine solche Zugangsverpflichtung auferlegen (§ 105 TKG), die Diensteanbietern den Zugang zu Leistungen der Mobilfunknetze zu chancengleichen Bedingungen sichert. Es ist eine ebenso rechtsklare wie wirksame frequenzregulatorische Maßnahme und daher gegenüber den anderen Regulierungsmaßnahmen vorzuziehen.

Verweise

[1] BNetzA, Positionspapier zur Bereitstellung von Frequenzen in den Bereichen 800 MHz, 1.800 MHz und 2.600 MHz, September 2022.

[2] Pressemitteilung der BNetzA vom 22.09.2022.

[3] Schon die Vergabe der D1- und D2-Netze im Jahr 1994 sah eine solche vor und führte dazu, dass die Anzahl der Anbieter auf dem Endkundenmarkt erstarken konnte, vgl. Berger-Kögler, K&R 2008, 346.

[4] Präsidentenkammerentscheidung der BNetzA vom 12.10.2009, Az. BK 1a-09/002, S. 106 f.; kritisch auch Präsidentenkammerentscheidung der BNetzA vom 28.01.2015, Az. BK 1-11/003, Rn. 690 ff.

[5] Präsidentenkammerentscheidung der BNetzA vom 26.11.2018, Az.: BK1-17/001, Rn. 489 ff.

[6] BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2021 – 6 C 8/20 –, BVerwGE 174, 1-53, Rn. 98.

 

Zu den Autoren

Prof. Dr. Wolfgang Spoerr ist Verwaltungs- und Regulierungs­experte und ist insbesondere in der Verfassungs- und Verwal­tungs­gerichts­­barkeit und vor dem Europäischen Gerichtshof tätig. Er vertritt in behördlichen und staats­anwaltlichen Ermittlungs­verfahren mit Unternehmens­bezug, in strafrecht­lichen Haupt­verhandlungen und in Rechtshilfe­verfahren. Darüber hinaus ist er in Gesetzgebungs- und Normsetzungs­verfahren auf nationaler und europäischer Ebene tätig und vertritt vor den Zivilgerichten in Auseinandersetzungen mit Regulierungshintergrund.

Dr. Thomas Ruthemeyer ist auf das Öffentliche Wirtschaftsrecht spezialisiert und berät insbesondere zu öffentlich-rechtlichen und regulatorischen Fragen. Er führt behördliche Verfahren sowie Rechtsstreitigkeiten vor Verwaltungs- und Zivilgerichten und berät regelmäßig zu regulatorischen Themen in M&A-Transaktionen, Umstrukturierungen und bei Börsen­gängen.

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