„freenet steht in den Startlöchern, um die 5G-Marktdurchdringung signifikant zu beschleunigen und für faire Preise zu sorgen.“

19. Jan 2023

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Lesezeit: 9 Minuten

Im Interview („Drei Mobilfunknetze hätten gereicht“) mit dem Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI sprach freenet-Vorstand Rickmann von Platen über das laufende Frequenzvergabeverfahren der Bundesnetzagentur, Wettbewerbsregulierung und den Wettbewerb zwischen netzbetreibenden und netzunabhängigen Mobilfunkanbietern.

Frage: Herr von Platen, die Vergabe der 5G-Mobilfunkfrequenzen ist inzwischen fast vier Jahre her. Damals hatte die Bundesnetzagentur (BNetzA) den Netzbetreibern auferlegt, mit Diensteanbietern zu verhandeln. Ihr Vorstandsvorsitzender hatte daraufhin in einem Interview gesagt, die Situation von Freenet verbessere sich damit im Vergleich zu 4G dramatisch. Hat sich das aus Ihrer Sicht bewahrheitet?

Rickmann von Platen: Das Verhandlungsangebot sendete damals zunächst in der Tat bessere Signale aus als keine Regulierung – wie beim Sündenfall der 4G-Frequenzvergaben. Wir mussten aber schnell feststellen, wie zahnlos das Verhandlungsgebot ist. Es reicht nicht aus: Die Netzbetreiber werden maximal angewiesen, mit Diensteanbietern zu verhandeln, müssen aber keine diskriminierungsfreien Zugangsverträge abschließen. Unser Fazit: Das Verhandlungsgebot ist zur Förderung des Wettbewerbs ein untaugliches Instrument.

Die BNetzA steht derzeit vor der Aufgabe, die kommende Frequenzvergabe zu regeln und will in diesem Rahmen auch den Dienstewettbewerb fördern. Inwiefern wirken sich die kommenden Entscheidungen der Behörde auf die Konsument:innen hierzulande aus?

In der Vergangenheit hat sich die BNetzA stark auf die Interessen der Netzbetreiber fokussiert und den Wettbewerb vernachlässigt. Wir stellen nun fest, dass die Agentur inzwischen auch die Verbraucherinteressen stärker berücksichtigen möchte. Das muss allerdings konsequent zu Ende gedacht werden, es braucht verpflichtende Vorgaben. Wenn die Netzbetreiber verpflichtet sind, mit geeigneten Diensteanbietern zusammenzuarbeiten und uns nicht schlechter als den eigenen Vertrieb stellen dürfen, können wir die Nachfrageseite stärken und einen Impuls für mehr Wettbewerb und faire Preise setzen.

Das bedeutet, es würde aus Ihrer Sicht mit einer entsprechenden Regulierung günstiger für Konsument:innen werden?

Dafür treten wir an. Und für ein attraktiveres Mobilfunk-Gesamtpaket. Wir erleben heute eine wettbewerbs- und innovationsarme Zeit. Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern eher hochpreisig. Während in Nachbarländern Unlimited-Tarife in der Breite angeboten werden, führen diese bei uns noch ein Schattendasein. Deutsche Tarifwelten sind vergleichsweise leistungsschwach. Innovative Dienste sind in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen. Hinzu kommt, dass 5G-Verträge noch immer ein Premiumangebot sind.

Damit meinen Sie, dass Freenet als größter Diensteanbieter bislang nur die Originaltarife von Vodafone und Telekom und noch keine eigenen Tarife inklusive 5G anbietet?

Genau. Insbesondere die preissensiblen Kunden von Diensteanbietern wie Freenet und Netzbetreiber-Zweitmarken wie Congstar, Blau oder Simon Mobile werden weitestgehend von 5G ausgeschlossen. Freenet steht in den Startlöchern, um die 5G-Marktdurchdringung signifikant zu beschleunigen und für faire Preise zu sorgen. Wir sind bereit, den neuesten Mobilfunkstandard auch in vollem Umfang unserem gesamten Kundenbestand zur Verfügung zu stellen. Das würde auch der deutschlandweiten Ausbreitung von 5G nutzen.

Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, dass die Netzbetreiber eine neue Technologie zunächst für die eigenen Kunden zurückhalten wollen. Zumal sie die Nutzungsrechte der Lizenzen teuer erworben haben.

Die Frequenzen sind ein öffentliches Gut und ihr Einsatz durch die Netzbetreiber sollte eine effiziente Nutzung im Verbraucherinteresse beinhalten. Dazu zählt dann auch, eine Technologie wie 5G nicht nur für finanzstarke Verbraucher vorzuhalten und mindestens 25 bis 30 Millionen Kunden aus den Netzen auszuschließen. Unternehmen haben die Nutzungsrechte für die Frequenzen für eine Dauer von 20 Jahren ersteigert. Machen wir die kurze Rechnung auf: Wenn man die eingenommenen 6,6 Milliarden Euro nimmt und für einen Zeitraum von 20 Jahren auf die Kunden der Netzbetreiber umlegt, kommt man auf einen eher niedrigen zweistelligen Centbetrag pro Person im Monat. Hinzu kommt: Allein Freenet hat den deutschen Netzbetreibern über 30 Milliarden Euro für die Netznutzung überwiesen.

Sie sprechen von wettbewerbsarmen Zeiten. Gleichzeitig heißt es aber in Ihrem Geschäftsbericht 2021, die Märkte seien von intensiven Wettbewerb geprägt. Wie passt das zusammen?

Wettbewerbsintensiv heißt in diesem Kontext, dass wir als Branche gegenwärtig in einem sehr schmalen Angebotskorridor auf der Stelle treten. Wir kommen nicht vom Fleck, weil wir uns nur im begrenzten Rahmen einen Preiswettbewerb liefern und bei Verträgen mit Endgerät-Zuschüssen im Wettbewerb zueinander stehen. Wir liefern uns aber keinen Wettbewerb um innovative Produkte, die beispielsweise 5G-Tarife massentauglich machen oder zusätzliche Leistungen wie unbegrenzte Datentarife enthalten.

Mit 1&1 hat sich ein einst großer Dienstanbieter dazu entschieden, künftig selbst ein Mobilfunknetz zu betreiben. Bringt das nicht auch mehr von dem von Ihnen gewünschten Wettbewerb?

Bei der Frequenzvergabe 2019 wurde eine große Chance vertan. Die Diensteanbieter hätten regulatorisch gestärkt werden müssen, dann hätten wir heute mit 1&1 noch einen weiteren starken Diensteanbieter. Drei Mobilfunknetze in Deutschland wären genug gewesen, wenn es auf diesen Netzen einen fairen Wettbewerb gegeben hätte. Offensichtlich hat 1&1 nicht ausreichend Sicherheit und Chancen darin gesehen, Diensteanbieter zu bleiben. In dieser Entwicklung lässt sich eine schlechte Regulierung erkennen.

Bereits jetzt können sich Beteiligte an die Bundesnetzagentur wenden, sollten Verhandlungen verweigert oder auf diskriminierende Weise geführt werden. Im großen Stile ist das bislang aber nicht passiert. Wieso nicht, wenn die Verhandlungen schlecht laufen?

An diesem Punkt zeigt sich die Absurdität des Verhandlungsgebotes. Die BNetzA kann zwar dazu auffordern, dass sich die Netzbetreiber an den Verhandlungstisch setzen. Sie kann aber nicht verhindern, dass dort Däumchen gedreht und Mondpreise aufgerufen werden. Es fehlt die Befugnis, Vorgaben zum Vertragsabschluss, zu diskriminierungsfreien Konditionen oder zum 5G-Zugang auszusprechen. Die Grenzen des Verhandlungsgebots sind für alle nachvollziehbar, weshalb es vollkommen aussichtslos ist, sich an die BNetzA zu wenden.

Insgesamt ist die Bonner Behörde in ihrem Positionspapier aus dem vergangenen Jahr kreativ geworden und schlägt etwa vor, dass es demnächst finanzielle Rabatte gibt, sofern sich die Netzbetreiber freiwillig verpflichten, ihre Netze zu öffnen. Trotzdem ordnen Sie alle Vorschläge als „ungeeignet“ ein. Warum?

Rabatte können beim Netzausbau und für Versorgungsauflagen ein sinnvolles Instrument sein. Wir befürchten aber, dass im Bereich der Wettbewerbsförderung die finanziellen Anreize zum Ausschluss von Wettbewerb größer sind als die Vorteile von Rabatten bei der Frequenzvergabe. Rabatte würden nur diejenigen Netzbetreiber in Anspruch nehmen, die unbedingt auf Ersparnisse angewiesen sind.

Das könnte 1&1 sein?

Die etablierten Netzbetreiber könnten sich von entsprechenden Wettbewerbsauflagen einfach freikaufen. Wir vermarkten heute nicht nur Mobilfunk in einem Netz, sondern in allen drei bestehenden Netzen. Um das weiterhin zu können, sollte die Diensteanbieterverpflichtung für alle Netzbetreiber gleichermaßen gelten. Diese Frequenzvergabe ist die letzte Chance, eine wirklich wirksame und funktionierende Regulierung zu etablieren. Nach dieser Frequenzvergabe wird der Markt bis 2033 sich selbst überlassen sein. Wir können nicht bloß darauf hoffen, dass sich die Netzbetreiber in den nächsten zehn Jahren doch noch anders verhalten.

Wie wäre eine solche Diensteanbieterverpflichtung aus Ihrer Sicht zu definieren?

Wir haben zwanzig Jahre lang sehr erfolgreich und unbürokratisch mit Netzbetreibern auf Grundlage der Diensteanbieterverpflichtung zusammengearbeitet. Mit einem Diskriminierungsverbot im Vergleich zum Vertrieb der Netzbetreiber und einer Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit geeigneten Diensteanbietern war allen Marktteilnehmern klar, woran sie sind. Sobald die Diensteanbieterverpflichtung im Zuge der 4G-Auktionen wegfiel, stellten die Netzbetreiber uns den jeweils neuesten Mobilfunkstandard nicht mehr zur Verfügung. Unsere Kunden haben acht Jahre lang auf den Zugang zum 4G-Netz gewartet. Seit drei Jahren werden wir daran gehindert, unsere Tarife mit 5G auszustatten. Darum fordern wir das bewährte Mittel zurück, das immer noch der mildeste und gleichzeitig wirksamste Markteingriff ist. Auch das Bundeskartellamt hat sich in seiner Stellungnahme für eine Diensteanbieterverpflichtung ausgesprochen.

Im Festnetzbereich werden sogar die Entgelte, die Unternehmen an die Deutsche Telekom für die sogenannte „letzte Meile“ auf dem Kupfernetz zahlen müssen, genau geregelt. Das wäre auch für den Mobilfunkbereich denkbar, solche kostenbasierten Regulierungen sind aber ein deutlich stärkerer Markteingriff und bei drei Netzen auch umständlicher als die bewährte Diensteanbieterverpflichtung.

Mit Telefónica Deutschland hat der erste Netzbetreiber angekündigt, seine Preise für Neukund:innen erhöhen zu wollen. Auch Sie bieten Tarife im Telefónica-Netz an. Wird sich die Entscheidung auf Ihre Kund:innen auswirken?

Aktuell planen wir nicht, die Preise im Telefónica-Netz zu erhöhen. Wir können uns den Entwicklungen allerdings nicht ganz entziehen, schließlich kaufen wir als Großhandelskunde bei den Netzbetreibern ein. Wir werden die Interessen unserer Kunden vehement vertreten, um etwaige Preiserhöhungen so gering wie möglich zu halten. Für uns passt es nicht zusammen, dass von Netzbetreibern und Netzausrüstern auf der einen Seite immer wieder die massiven Effizienzsteigerungen durch das 5G-Netz betont werden, aber nun Preiserhöhungen ebenfalls mit 5G begründet werden.

Rechnen Sie damit, dass die anderen Netzbetreiber nachziehen?

Das kann gut sein.

Dieses Interview ist erschienen bei Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI am 18.01.2023 und hier abrufbar. Dsa Gespräch führte Lisa Oder.

Zu Rickmann von Platen 

Rickmann von Platen ist seit Juni 2018 Vorstandsmitglied der freenet AG und verantwortet in dieser Funktion das Partnermanagement mit den Beziehungen zu Netzbetreibern, Endgeräteherstellern und den stationären Vertriebspartnern der freenet sowie das Produktmanagement für Mobilfunk und Digital Lifestyle und den Indirekten Einkauf. Zugleich ist er seit 2012 Geschäftsführer der freenet DLS GmbH (ehemals mobilcom-debitel
GmbH).

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